Altersbilder in benefit und AAL Projekten. Eine Mixed Methods Studie (AALtersbilder)

Third party funded individual grant


Acronym: AALtersbilder

Start date : 01.10.2018

End date : 31.08.2019


Project details

Short description

Im AAL Kontext ist eine kontinuierliche Reflexion der zugrundeliegenden Altersbilder unerlässlich, um zu verhindern, dass ausgehend von stereotypen Defizitbildern des Alter(n)s neue Abhängigkeiten geschaffen werden. Mit der vorliegenden Studie wurde die empirische Grundlage für eine solche Reflexion der österreichischen AAL Landschaft geschaffen. Folglich wurden ganz im Einklang mit der Ausschreibung „IKT der Zukunft – benefit: Demographischer Wandel als Chance“ benefit Studien und Projekte sowie AAL Projekte mit österreichischer Konsortialführung in Hinblick auf die zugrundeliegenden Altersbilder und die damit einhergehenden Konsequenzen analysiert, basierend auf gerontologischen Theorien (Age Stereotype Embodiment Theory; Modell der Selektiven Optimierung mit Kompensation, SOK) sowie Konzepten der Technikfolgenabschätzung. Über eine umfassende Recherche konnten insgesamt 128 Projekte und Studien (benefit: n = 94; AAL: n = 34) identifiziert werden. Diese umfassen zum einen Projekte, die der Entwicklung und/oder Erprobung technischer Lösungen dienten (n = 93, Subsample A), zum anderen Studien und Projekte ohne Technikentwicklung (z.B. Literaturstudien, Methoden, Checklisten; n = 35, Subsample B).


Scientific Abstract

Im AAL Kontext ist eine kontinuierliche Reflexion der zugrundeliegenden Altersbilder unerlässlich, um zu verhindern, dass ausgehend von stereotypen Defizitbildern des Alter(n)s neue Abhängigkeiten geschaffen werden. Mit der vorliegenden Studie wurde die empirische Grundlage für eine solche Reflexion der österreichischen AAL Landschaft geschaffen. Folglich wurden ganz im Einklang mit der Ausschreibung „IKT der Zukunft – benefit: Demographischer Wandel als Chance“ benefit Studien und Projekte sowie AAL Projekte mit österreichischer Konsortialführung in Hinblick auf die zugrundeliegenden Altersbilder und die damit einhergehenden Konsequenzen analysiert, basierend auf gerontologischen Theorien (Age Stereotype Embodiment Theory; Modell der Selektiven Optimierung mit Kompensation, SOK) sowie Konzepten der Technikfolgenabschätzung. Über eine umfassende Recherche konnten insgesamt 128 Projekte und Studien (benefit: n = 94; AAL: n = 34) identifiziert werden. Diese umfassen zum einen Projekte, die der Entwicklung und/oder Erprobung technischer Lösungen dienten (n = 93, Subsample A), zum anderen Studien und Projekte ohne Technikentwicklung (z.B. Literaturstudien, Methoden, Checklisten; n = 35, Subsample B).

Inhaltsanalyse Zielgruppen und technische Lösungen

In Teilstudie 1a wurden über eine qualitative und quantitative Inhaltsanalyse der Projektberichte/-unterlagen sowohl die bisher fokussierten NutzerInnengruppen und die Beschreibungen typischer NutzerInnen in Form von Personas und Szenarien analysiert, als auch die entwickelten technischen Lösungen nach TAALXONOMY klassifiziert und vor dem Hintergrund des SOK Modells bewertet. Insgesamt konnten mittels induktiver Kategorienentwicklung fünf Zielgruppenkategorien entwickelt werden (N = 91 Projekte). Die meistgenannte Zielgruppe stellten ältere (zu Hause lebende) Menschen allgemein dar (44.0%), ohne dass eine weitere Spezifikation vorgenommen wurde. Personen mit spezifischen Erkrankungen und Einschränkungen – zumeist Demenz – stellten die zweithäufigste Kategorie dar (36.3%). Menschen mit nicht näher definiertem Pflege- bzw. Betreuungsbedarf wurden in 13.2% der Projekte adressiert, Pflegende und ältere Menschen in der Arbeitswelt wurden jeweils in 3 Projekten als primäre NutzerInnen benannt.

Die quantitativ-inhaltsanalytische Auswertung österreichischer Personas und Szenarien (N = 40) erbrachte, dass die dargestellten Personen häufiger weiblich als männlich waren und im Median über fünf (Range 2 – 7) Merkmalskategorien beschrieben wurden. Techniknutzung (n = 39) war die häufigste Merkmalskategorie, Angaben zur finanziellen Lage wurden vergleichsweise am seltensten gemacht (n = 13). Wurde die körperliche Gesundheit (n = 31) oder die kognitive Leistungsfähigkeit (n = 24) beschrieben, dann zumeist in negativer Ausprägung. Qualitativ-inhaltsanalytisch wurde die Entwicklungsdynamik analysiert (deduktive Kategorienanwendung). Es zeigte sich, dass in neun der 40 NutzerInnenbeschreibungen die dargestellten Personen als aktiv auf die eigene Entwicklung Einfluss nehmend dargestellt wurden, während in 31 Personas bzw. Szenarien keinerlei Entwicklungsdynamik beschrieben wurde.  Die Klassifizierung nach TAALXONOMY (N = 91 Projekte) ergab, dass „Information & Kommunikation“ (T08, 67.0%), „Vitalität & Fähigkeiten“ (T06, 61.5%) und „Gesundheit & Pflege“ (T01, 50.5%) die häufigsten Anwendungsbereiche darstellten, „Arbeit & Schulung“ (T05, 7.7%) hingegen die seltenste.

Die Analyse der entwickelten technischen Lösungen vor dem Hintergrund des SOK Modells in kontexttheoretischer Anwendung stellt den Kern von Teilstudie 1b dar. Für 58 Projekte (1,999 Seiten Materialcorpus) konnte diese qualitative Inhaltsanalyse vorgenommen werden, da ausreichend detaillierte Informationen zu Zielsetzungen und Art der technischen Lösung(en) vorlagen. Hierbei wurde analysiert, inwiefern die Entwicklung technischer Lösungen ausschließlich mit Fokus auf Verluste und deren Kompensation erfolgte oder ob auch die Potenziale des Alters berücksichtigt wurden und somit auf einem positiven Altersbild aufgesetzt wurde. Die Projektunterlagen wurden in einem ersten Schritt inhaltlich nach dem SOK Modell strukturiert (Technologieentwicklung mit Fokus auf Verluste vs. Fokus auf Gewinne), in einem zweiten Schritt wurden induktiv je vier Subkategorien entwickelt. Die Kategorie „Monitoring zur externen Kontrolle“ war die häufigste verlustfokussierte Subkategorie (50.0% der Projekte), „Lernen & Training“ die häufigste gewinnfokussierte Subkategorie (31.0% der Projekte). Auf Ebene der Hauptkategorien zeigt sich, dass in 53% der Projekte die Technologieentwicklung ausschließlich ausgehend von (antizipierten) Verlusten erfolgte, in 21% der Projekte der Fokus auf Gewinnen bzw. Potenzialen des Alters lag und in 26% der Projekte beide Aspekte berücksichtigt wurden.

Linguistische Analyse

Aufschlussreich in Hinblick auf die den Projekten zugrundeliegenden Altersbilder ist auch die Analyse des Sprachgebrauchs. In Teilstudie 1b wurden daher die in den Projektunterlagen sprachlich repräsentierte Altersbilder mittels quantitativer Text- und Kollokationsanalyse untersucht (N = 58 Projekte; 1,505 Textstellen mit insgesamt 46,541 Wörtern). Nach der Identifikation von Textstellen mit Schlüsselwörtern bezogen auf ältere Menschen erfolgte die Analyse der sprachlichen und inhaltlichen Merkmale des Textmaterials mittels LIWC (Linguistic Inquiry and Word Count). Es zeigte sich, dass in lexikalischer Nähe der Zielgruppenbeschreibung Wörter der Kategorien „positive Emotionen“ und „Gesundheit“ vergleichsweise häufig, Wörter der Kategorie „negative Emotionen“ und „Freizeit“ vergleichsweise selten verwendet wurden. Auch wurde die Wortkategorie „Optimismus“ im Zusammenhang mit der Zielgruppenbeschreibung häufiger verwendet, Wörter der Kategorie „Risiken“ dagegen weniger. Weibliche Referenzierungen wurden etwas häufiger genutzt als männliche. Weitere Auswertungen zeigen, dass die Nennung positiver Emotionen mit der Nennung von Worten aus den Kategorien Freizeit und Optimismus assoziiert war. Wurden ältere Menschen im Kontext negativer Emotionen beschrieben, so war dies auch mit einer Häufung von Gesundheits- und Risikowörtern verbunden.

Durch Nutzungsszenarien evozierte Altersbilder

Nutzungsszenarien sind ein wichtiges Element partizipativer Technikentwicklung und kommen auch in österreichischen Projekten häufig zur Anwendung. Vor dem Hintergrund der Age Stereotype Embodiment Theory sind Effekte der in Nutzungsszenarien repräsentierten Altersbilder auf die Altersbilder von primären und sekundären NutzerInnen zu erwarten. In einer experimentellen Vignettenstudie wurden daher die kausalen Effekte von Nutzungsszenarien mit technischen Lösungen im Sinne der Kompensation (z.B Notfallhilfe) vs. Optimierung (z.B. Training; Zwischensubjektfaktor) auf die Altersbilder (Selbst- und Fremdbilder) von Studierenden und SeniorInnen (N = 213) untersucht. Die gefundenen Effekte sind eher gering und uneinheitlich. So hat beispielsweise die Auseinandersetzung mit dem Nutzungsszenario und der dargestellten Problemlage unabhängig von der Art der technischen Lösung (d.h. Interaktionsterm n.s.) einen statistisch signifikanten negativen Effekt auf die Vorstellungen über die Möglichkeiten der persönlichen Weiterentwicklung im Alter, insbesondere in der Gruppe der SeniorInnen. Effekte der Art der technischen Lösung auf das Selbstbild, also die Vorstellung über die eigene Weiterentwicklung im Alter, zeigten sich nicht. In der Optimierungsbedingung schätzten die Teilnehmerinnen im Vergleich zur Kompensationsbedingung, dass die in der Vignette dargestellte Person signifikant länger selbstbestimmt weiterleben wird, während sie in beiden Bedingungen als ähnlich technikabhängig wahrgenommen wurde. Die Chancen der Techniknutzung im Alter wurden in der Optimierungsbedingung etwas positiver bewertet, jedoch statistisch nicht signifikant. Die Effekte auf die Einstellung gegenüber älteren Personen sind ebenfalls gemischt. So zeigten sich keine signifikanten Effekte hinsichtlich der Dimensionen „Akzeptierbarkeit“ und „Integrität“, während in der Optimierungsbedingung ältere Menschen hinsichtlich der Dimensionen „Instrumentalität“ und „Autonomie“ tendenziell positiver bewertet wurden.

Altersbilder Projektteams

In Teilstudie 3 wurde untersucht, welche Altersbilder die österreichischen Projektmitglieder technischer und nicht-technischer Disziplinen (N = 53, 23% verfügen über gerontologische Aus-/Fort-/Weiterbildung) in die Projekte einbringen und wie die Partizipation unterschiedlicher Disziplinen und die Nutzung gerontologischer Wissensbestände in den österreichischen Projekten ausgestaltet sind. Dabei zeigte sich beispielsweise, dass die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen als Bereicherung empfunden wurde und die Einbeziehung alterswissenschaftlicher Wissensbestände für sinnvoll befunden wurde. Die NutzerInneneinbindung wurde insgesamt positiv beschrieben, u.a. waren die Teilnehmerinnen mehrheitlich der Ansicht, dass die Bedürfnisse älterer Menschen bei der Entwicklung der technischen Lösungen berücksichtigt wurden und die technische Entwicklung danach ausgerichtet wurde. Während die Integrierbarkeit der technischen Lösungen in den Alltag der NutzerInnen überwiegend positiv bewertet wurde, wurden die Anpassung der technischen Entwicklung an die Fähigkeiten und Bedarfe älterer Menschen und die Praktikabilität und Alltagstauglichkeit etwas zurückhaltender, jedoch positiv bewertet. Risiken, die sich durch die Techniknutzung ergeben können, wurden durch die TeilnehmerInnen kaum bestätigt. Die eigene Partizipation in den Projekten wurde überwiegend positiv beurteilt, Professionskonflikte und damit verbundene Schwierigkeiten die eigenen Kompetenzen und Kenntnisse einzubringen wurden eher verneint. Hinsichtlich der Altersbilder zeigte sich, dass älteren Personen eine hohe Selbstkenntnis und die Möglichkeit der Weiterentwicklung zugeschrieben wurden. Körperliche Verluste im Alter wurden eher erwartet als soziale. Die Erwartungen für das eigene Leben im Alter sind bis auf die körperlichen Verluste signifikant positiver. In beinahe allen Lebensbereichen (z.B. Fitness, Selbstständigkeit) wurden ältere Menschen eher positiv bewertet. Gleichzeitig fielen die Einschätzungen in den meisten Bereichen für das eigene Leben im Alter signifikant positiver aus. Die Fähigkeit älterer Menschen mit dem technischen Fortschritt mitzuhalten, wurde vergleichsweise am geringsten eingeschätzt, während gleichzeitig für das eigene Leben im Alter diesbezüglich eine sehr hohe Fähigkeit erwartet wurde. In Hinblick auf im Umgang mit Technik bezogene Altersstereotype zeigten sich überwiegend neutrale Tendenzen.

Diskussion

Zusammenfassend lassen sich die Befunde der vorliegenden Mixed Methods Studie wie folgt interpretieren. Bislang wurde eine große Bandbreite an Zielgruppen adressiert von eher gesunden (zu Hause lebenden) älteren Menschen bis hin zu Menschen mit spezifischen Erkrankungen bzw. Einschränkungen. Zielgruppen, die sich weniger über die Gesundheit bzw. gesundheitliche Einbußen definieren, wie etwa ältere Menschen am Arbeitsplatz, wurden eher selten adressiert. Die Klassifikation nach TAALXONOMY zeigt eine große Bandbreite an bislang entwickelten technischen Lösungen, wobei jedoch einige Anwendungsbereiche wie z.B. „Arbeit & Schulung“ oder „Mobilität & Transport“ noch eher selten bearbeitet wurden. Die Entwicklung technischer Lösungen erfolgte in einer Hälfte der Projekte primär mit einem Fokus auf Verluste, d.h. ausgehend von Defizitbildern des Alters wurden technische Lösungen zur Kompensation von (antizipierten) Verlusten entwickelt. Wenngleich Kompensation und verlustbasierte Selektion auf individueller Ebene durchaus wichtige Entwicklungsmechanismen darstellen, sind technische Lösungen basierend auf Defizitbildern nicht immer überzeugend (z.B. Erinnerungshilfen als vermeintliches Mittel der Wahl). Technische Lösungen sollten auch Kontexte zur Stärkung der Potenziale des Alters schaffen und auf diese Weise elektive Selektion und Optimierung unterstützen. Dies wurde in knapp der Hälfte der Projekte durchaus bereits berücksichtigt. Insbesondere Kontexte zum Erhalt bzw. der Erweiterung und Steigerung von Kompetenzen durch Lernen und Training wurden in knapp einem Drittel der Projekte geschaffen. Inwiefern die Umsetzung erfolgreich war, also die Nutzung der technischen Lösungen auf individueller Ebene auch gelingende Entwicklung unterstützt hat, kann auf Basis der vorliegenden Analyse nicht beurteilt werden.

Betrachtet man Nutzungsszenarien als wichtiges Element der Technikentwicklung, welches auch in den österreichischen Projekten häufig zur Anwendung kommt, so wird deutlich, dass die Qualität der Personas bzw. Szenarien sehr unterschiedlich ist. So variierte der Komplexitätsgrad der Darstellungen gemessen an der Anzahl der zur Beschreibung des/der NutzerIn herangezogenen Merkmalskategorien stark. Aufschlussreich im Hinblick auf die zugrundeliegenden Altersbilder ist insbesondere die repräsentierte Entwicklungsdynamik älterer Personen. Während die meisten Darstellungen statische Beschreibungen sind, ist positiv hervorzuheben, dass in einigen Szenarien die dargestellten Personen durchaus als aktiv auf die eigene Entwicklung Einfluss nehmend charakterisiert wurden. Wenngleich die Effekte der in Nutzungsszenarien repräsentierten Altersbilder auf die altersbezogenen Fremdbilder eher klein und uneinheitlich waren und sich keine Effekte für das Selbstbild zeigten, so zeichneten sich dennoch gewisse Tendenzen ab, die darauf hinweisen, dass die Konstruktion von Nutzungsszenarien ausgehend von Defizitbildern des Alterns negative Konsequenzen für primäre und sekundäre NutzerInnen haben kann.

In der Befragung der Projektteammitglieder zeigten die StudienteilnehmerInnen prinzipielle Aufgeschlossenheit und Befürwortung interdisziplinärerer Zusammenarbeit, Verständnis für die Relevanz der Nutzereinbindung und der Integration gerontologischer Wissensbestände, wobei letztere noch eine untergeordnete Rolle spielte. Die von den StudienteilnehmerInnen vertretenen Altersbilder zeigten sich durchaus differenziert und eher positiv gefärbt, wenngleich gerade die Technikkompetenz älterer Personen vergleichsweise negativ bewertet wurde.

Die Betrachtung des Forschungsgegenstandes aus unterschiedlichen Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Methoden hat gezeigt, dass durchaus bereits sehr positive Entwicklungen zu beobachten sind. Gleichzeitig zeigt die umfassende Analyse auch Möglichkeiten auf, den AAL Bereich in Österreich weiterzuentwickeln und voranzutreiben.

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