Third party funded individual grant
Start date : 15.01.2020
End date : 15.01.2021
Geographische Informationen werden im Web 2.0 zunehmend kollaborativ und freiwillig, durch selbst-organisierte online communities generiert. Durch diesen „laienhaften“ bottom-up-Charakter unterscheiden sich „volunteered geographic information“ (VGI) von „konventionellen“ Geodaten, die i.d.R. in spezialisierten Organisationen von professionellen ExpertInnen produziert werden. Diese Entwicklungen sind teilweise als eine „Öffnung“ und „Demokratisierung der Kartographie“ begrüßt worden, als ein Abbau von Zugangsbarrieren zur Herstellung von Karten und Geodaten und damit letztlich von geographischen Informationen und Wissen über die Welt. Das laufende Forschungsprojekt „Exklusionen in volunteered geographic information (VGI): OpenStreetMap und Wikimapia in Israel/Palästina“ konnte zu dieser Debatte einen kritischen Beitrag leisten, indem es Formen sozialer Ungleichheit und Exklusionsmechanismen in VGI ausleuchtete. Als Fallbeispiele dienten die VGI-Plattformen OpenStreetMap (OSM) und Wikimapia im regionalen Kontext Israels und Palästinas, dessen Geschichte von umkämpften und antagonistischen Kartographien durchzogen ist. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass VGI von ökonomischen, technischen und kulturellen Exklusionsmechanismen geprägt sind, die je nach sozio-geographischem Kontext unterschiedlich ausgeprägt sein können. So unterscheiden sich die Entstehungshintergründe von OSM und Wikimapia in Israel und Palästina grundlegend voneinander. Je nach VGI-Form und regionalem Kontext schreiben sich somit auch verschiedene soziale Ungleichheiten und Voreingenommenheiten in VGI-Daten ein.
Eine wichtige Rolle spielt dabei die lokale Authentizität von VGI, die sich maßgeblich aus dem Grad der Beteiligung lokaler Expertinnen an der Herstellung der Daten ergibt. Ein zentrales Ergebnis unserer empirischen Forschung ist, dass die Geodaten in OSM in Israel ganz überwiegend von einer aktiven OSM-community vor Ort produziert wurden (und werden) – in Palästina hat sich hingegen bis heute keine Gemeinschaft lokaler „mapper“ in OSM etabliert. Die Geodaten in OSM zu Palästina lassen sich in hohem Maße auf Initiativen aus dem Kontext der humanitären Entwicklungs- und Katastrophenhilfe zurückführen – wurden also überwiegend von ExpertInnen produziert, die nicht in der Region zu Hause sind. Die Annahme, dass die geographischen Informationen in VGI in hohem Maße von Menschen „vor Ort“, d. h. von „lokalen ExpertInnen“ generiert werden, ist ein zentrales Argument in der Debatte um die gesellschaftlichen Chancen von VGI. Die auf diese Weise „lokal“ produzierten Geodaten seien in besonders hohem Maße authentisch. Die kritische Auseinandersetzung mit VGI geht gleichzeitig zumindest implizit von der Annahme aus, dass Exklusionen in VGI genau dort vorherrschen, wo Daten von ortsunkundigen Personen aus der Ferne produziert werden (remoteness). Obwohl sich die Annahme einer hohen (und normativ wünschenswerten) localness von VGI-Daten durch die gesamte Debatte über VGI zieht, ist diese localness bislang wenig reflektiert und kaum überprüft worden.
Angesichts der grundlegenden Bedeutung der localness-Annahme für die Frage, wie sich die Bedingungen der Herstellung geographischer Informationen im Web 2.0 verändern, möchten wir in Fortführung unserer Arbeiten zu VGI in Israel/Palästina im Rahmen einer Projektverlängerung eine globale und vergleichende Untersuchung leisten, die sowohl die empirische Gültigkeit, als auch die Normativität des Konzepts „localness“ analysiert und hinterfragt.
Volunteered geographic information (VGI), that is to say, the voluntary and non-paid collection of geodata within the interactive web 2.0, has been interpreted as a chance for giving marginalized voices access to the compilation and dissemination of geographic information. However, the idea that within the web 2.0 everybody could participate in the fabrication of geographic information has been rapidly questioned, pointing to the different social and socio-technical forms of exclusion. Yet, despite the rapidly growing importance of VGI for different fields, up to now there are only few and hardly any systematic empirical studies on the social and socio-technical backgrounds of VGI. This is the starting point for our research project which aims to reconstruct the fabrication of collaboratively assembled geodata. The project intends to uncover processes of marginalisation and exclusion and thus to analyse how social inequalities are inscribed in VGI and become reproduced through VGI. As a case study we look at the globally most popular projects of a collaboratively collected geodata bases, OpenStreetMap (OSM) and WikiMapia, within a regional context which is due to the multiple social disparities and political conflict lines particularly informative and empirically fertile: Israel/Palestine.