Die koloniale Situation hat den Umgang Lateinamerikas mit den europäischen Kulturen entscheidend geprägt; sie hat ein kulturelles Gefälle geschaffen zwischen zentraler Ausgangskultur, wo die Originale produziert werden, und peripherer Zielkultur, wo sie rezipiert und nachgeahmt, in die sie übersetzt werden und übersetzt werden sollen. Weil aber der gesamte Kontext der Zielkultur gleichsam als Translationsmedium funktioniert, wurden diese Modelle im Translationsprozess entschieden verändert. Übersetzen ist in Lateinamerika stets eine identitätsstiftende Praxis gewesen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach den unterschiedlichen Verfahren, mit denen ein peripherer Kulturraum in unterschiedlichen historischen und kulturellen Zusammenhängen und Situationen sich Kulturgüter des Zentrums aneignet und sie verändert.