Netzdienliche Integration regenerativer Energiequellen über stromrichtergekoppelte Einspeisenetze mit integrierten Energiespeichern

Henninger S (2019)


Publication Language: German

Publication Type: Thesis

Publication year: 2019

Publisher: FAU University Press

City/Town: Erlangen-Nürnberg

ISBN: 978-3-96147-258-1

DOI: 10.25593/978-3-96147-259-8

Abstract

Die elektrische Energieversorgung in Deutschland und in vielen anderen Ländern
befindet sich derzeit in einem starken Umbruch, denn Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsgründe
erfordern eine Abkehr von fossilen Energieträgern und eine verstärkte
Nutzung regenerativer Energiequellen wie Windkraft und Photovoltaik.
Doch obwohl immer mehr regenerative Stromerzeugungsanlagen in die elektrischen
Netze integriert werden, liegt das Ziel einer CO2-neutralen, aber weiterhin sicheren
und bezahlbaren Energieversorgung noch in weiter Ferne. Häufig führen die aktuellen
Ansätze sogar zu gegenteiligen Effekten wie einer zunehmend gefährdeten
Versorgungszuverlässigkeit; neue und netzdienliche Integrationsmethoden sind erforderlich.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde diese Problemstellung sowohl
aus einer konzeptionellen als auch aus einer technischen Perspektive untersucht.
Der konzeptionelle Ansatz basiert dabei auf der Beschreibung von Stromerzeugungsanlagen
anhand von fünf inhärenten Eigenschaften iE1 bis iE5 (Art des
Primärenergieträgers, Wirkleistungscharakteristik, Standortbindung, Anlagengröße,
Netzkopplung), die anschaulich in einem sog. Einspeisewürfel dargestellt werden.
Diese neue Abstraktionsebene ermöglicht sowohl ein tieferes Verständnis der Problematik,
z. B. hinsichtlich der Unterschiede zwischen konventionellen und nichtkonventionellen
Stromerzeugungsanlagen, als auch die Definition und Bewertung
verschiedener Netzintegrationsmethoden.
Mit Hilfe des Einspeisewürfels wurden vier Netzintegrationsmethoden NIM1 bis
NIM4 eingeführt, je nachdem, ob eine Stromerzeugungsanlage direkt in das elektrische
Netz integriert wird oder ihre inhärenten Eigenschaften iE dabei erweitert
oder/und verändert werden. Die drei Methoden NIM1 bis NIM3, die bisher zum
Einsatz kommen, wurden hinsichtlich ihrer Netzdienlichkeit und ihrer Auswirkungen
auf den Netzbetrieb analysiert und bewertet. Als vierte Netzintegrationsmethode
NIM4 wurde im Rahmen dieser Arbeit das Konzept eines Smart renewable Power
Plant (SrPP) entwickelt: ein stromrichtergekoppeltes Einspeisenetz mit integrierten
Energiespeichern, das sich durch eine hohe Netzdienlichkeit auszeichnet. Hierzu
zählen ein vereinfachter und sichererer Netzbetrieb (weniger Anlagen, weniger
Kommunikationsaufwand), definierte und geeignete Einspeisepunkte, gesicherte
Mindestleistung und begrenzte Maximalleistung (Leistungsband), die Bereitstellung
von Systemdienstleistungen, insbesondere ein flexibler und aktiver Beitrag zum
Netzwiederaufbau (auch als Last), sowie ein robustes und einstellbares Verhalten im
Fehlerfall (z. B. flexibel in Mit- und Gegensystem).
Ergänzend dazu wurde eine neuartige Bewertungsmethode für die zeitliche und örtliche
Performance von Stromerzeugungsanlagen entwickelt, mit der die verschiedenen
Netzintegrationsmethoden hinsichtlich ihrer Fähigkeit, Energie zur richtigen
Zeit und am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen, verglichen werden können. Diese Bewertungsmethode ermöglicht es nicht nur, den Mehrwert eines SrPP im
Vergleich zu den anderen Netzintegrationsmethoden rechnerisch und grafisch zu
zeigen und zu quantifizieren, sondern sie kann auch zur SrPP-Auslegung verwendet
werden, z. B. um durch geeignete Einspeisepunkte die elektrische Entfernung zu den
Lasten zu minimieren.
Durch die Stromrichterkopplung des SrPP ist prinzipiell eine getrennte Betrachtung
des Netzverhaltens und des internen Verhaltens möglich. Das interne Verhalten des
SrPP beinhaltet Auslegung, Regelung und Betrieb der Energiespeicher und wurde
im Rahmen dieser Arbeit sowohl simulativ als auch an einem Versuchsaufbau untersucht.
Die Regelung der Energiespeicher erfolgt kommunikationslos über eine
ladezustandsabhängige Gleichspannungs-Wirkleistungsstatik. Durch die Kombination
aus Kurz-, Mittel- und Langzeitspeichern lässt sich, wie in einer beispielhaften
Simulation gezeigt wurde, ein hoher Gesamtwirkungsgrad erzielen, d. h. die Wirkleistungscharakteristik
und Netzdienlichkeit von regenerativen Energiequellen werden
durch das SrPP nicht nur deutlich verbessert, sondern es bleibt gleichzeitig auch ein
Großteil der Energie, im Simulationsbeispiel 88 %, nutzbar.
Auf dem Netzverhalten des SrPP und damit der Regelung und netzdienlichen Betriebsweise
von Stromrichtern liegt der Schwerpunkt der technischen Betrachtungen
dieser Arbeit. Hierzu wurde zunächst eine umfangreiche Übersicht über Stromrichterregelungen
erstellt, in der vier verschiedene Klassifizierungsmerkmale vereint
wurden: das stationäre Ersatzschaltbild (Stromquelle, Spannungsquelle), das Betriebsverhalten
(netzfolgend, netzbildend, netzstützend), die Möglichkeit/Notwendigkeit
des Netzparallelbetriebs sowie sechs verschiedene Regelungsmodi (P Q, u f,
P ( f ) Q (U ), P ( f ̇ ) Q (U ), f ( P )U( Q ) und f ̇ ( P )U( Q )). Zusammen mit den jeweiligen
Submodi, die verschiedene Regelungskaskaden und Ausführungen virtueller Impedanzen
beinhalten, ergibt sich damit eine neuartige, übersichtliche Darstellung für
die Varianten, Eigenschaften und Zusammenhänge von Stromrichterregelungen.
Die verschiedenen Regelungen wurden anschließend an einem Versuchsaufbau implementiert
und vor dem Hintergrund der Netzdienlichkeit untersucht.
Durch den Vergleich mit Synchrongeneratoren, z. B. hinsichtlich des Stabilitätsverhaltens
oder des transienten und stationären Ersatzschaltbilds, wurde gezeigt, wie
sich diese Regelungen auf die traditionellen Gesetzmäßigkeiten und Analysemethoden
elektrischer Netze auswirken und welche neuen Möglichkeiten des Netzbetriebs
sich hieraus ergeben, z. B. in Form von virtuellen Admittanzen oder einem kompensierten
Gegensystem.
Neben der Vorstellung des SrPP als ganzheitliche Netzintegrationsmethode für
regenerative Energiequellen trägt die vorliegende Arbeit somit auch dazu bei, die
bisher oft noch getrennten Fachbereiche der elektrischen Energieversorgung und
der Leistungselektronik, die in einer stromrichterdominierten regenerativen Energieversorgung
eng miteinander verknüpft sind, zusammenzuführen.

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How to cite

APA:

Henninger, S. (2019). Netzdienliche Integration regenerativer Energiequellen über stromrichtergekoppelte Einspeisenetze mit integrierten Energiespeichern (Dissertation).

MLA:

Henninger, Stefan. Netzdienliche Integration regenerativer Energiequellen über stromrichtergekoppelte Einspeisenetze mit integrierten Energiespeichern. Dissertation, Erlangen-Nürnberg: FAU University Press, 2019.

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