Online- und Präsenzlehre aus Sicht von Lehramtsstudierenden. Eine Mixed Methods Studie zu emotionalen und motivationalen Effekten

Stephan M (2021)


Publication Language: German

Publication Type: Thesis

Publication year: 2021

URI: https://opus4.kobv.de/opus4-fau/frontdoor/index/index/docId/16551

Abstract

Neben der nach wie vor weitverbreiteten Präsenzlehre hat sich die Onlinelehre mittlerweile in der Hochschulbildung auf breiter Ebenen etabliert. Forschung zur Digitalisierung der Hochschulbildung gewann in Deutschland erst in den letzten Jahren, nicht zuletzt durch umfangreiche Förderprogramme, an Bedeutung (Mayrberger, 2020, S. 142–147; Spinath & Seifried, 2018). Dabei weist der „Shift from teaching to learning“ darauf hin, dass Lernende zunehmend in das Blickfeld der Hochschulforschung rücken (Fendler & Gläser-Zikuda, 2013; Welbers & Gaus, 2005; Wildt, 2005). Dies schließt ein, Zusammenhänge zwischen (technologiebasierter) Lernumgebung, affektiven Faktoren und Leistungsvermögen besser zu verstehen, wobei den Annahmen der Kontroll-Wert-Theorie der Lern- und Leistungsemotionen zufolge, wechselseitige Beziehungen zu Kontroll- und Wert-Appraisals mitzudenken sind (Pekrun, 2006; Pekrun et al., 2007). An Vergleichen zu emotionalen und motivationalen Effekten der Online- und Präsenzlehre fehlt es derzeit insbesondere im deutschsprachigen Raum (Castañeda & Selwyn, 2018, S. 4; Graesser, 2019, S. 1; Marchand & Gutierrez, 2012, S. 150; Pekrun & Loderer, 2020, S. 394). Das primäre Ziel der vorliegenden Studie ist es zu klären, inwieweit sich Lern- und Leistungsemotionen, -motivation und Leistung zwischen Lehramtsstudierenden, die eine Präsenzveranstaltung besuchen, von Lehramtsstudierenden, die eine Onlineveranstaltung zur Vorbereitung auf das Staatsexamen Schulpädagogik besuchen, unterscheiden. Das Forschungsdesign wurde als eine vergleichende Mixed Methods Studie angelegt. Das konvergente Paralleldesign umfasste drei Teilstudien: Fragebogenstudie, Leistungstest sowie eine qualitative Teilstudie. Die Umsetzung der beiden quantitativen Teilstudien erfolgte mit einem längsschnittlichen Pre-Post-Design, wobei je eine Erhebung zum Semesterbeginn und eine zum Semesterende durchgeführt wurde. Im Rahmen der Fragebogenstudie wurden 476 Lehramtsstudierenden befragt, wobei 470 Fälle in der Auswertung berücksichtigt werden konnten (Präsenzveranstaltung: 186 Pre-Erhebung, 89 Post-Erhebung; Onlineveranstaltung: 92 Pre-Erhebung, 103 Post-Erhebung). Das Durchschnittsalter bei den Teilstichproben wies nur eine geringe Variation auf (zwischen M = 23.7 und 22.5; SD = 3.47 und 2.12). Der überproportional hohe Anteil an weiblichen Lehramtsstudierenden (zwischen 77,8 % und 90,0 %) repräsentiert die Geschlechterverteilung im Lehramtsstudium. Für die Vervollständigung des Datensatzes wurde der Expectation-Maximization-Algorithmus (EM-Algorithmus) eingesetzt. In der Fragebogenstudie wurden ausschließlich getestete Skalen mit guten bzw. sehr guten Reliabilitäten genutzt, wobei diese zum Teil an den Erhebungskontext angepasst werden mussten. Die Faktorenstruktur wurde mit explorativen Faktorenanalysen überprüft. Die Reliabilität der Skalen je Messzeitpunkt waren überwiegend zufriedenstellen und reichten von α = .54 - .96. Die Auswertung mittels einfaktorieller Varianzanalyse (ANOVA) erfolgte Unter Berücksichtigung dessen, dass das Kriterium der Normalverteilung nicht gegeben war. Zur Spezifizierung der Unterschiede zwischen den Gruppen, wurden post-hoc Tests (Games-Howell-Tests) angeschlossen. Den parallel zur Fragebogenstudie durchgeführten Leistungstest gaben 432 Lehramtsstudierende ab. Davon konnten in der Präsenzveranstaltung 172 (Pre) bzw. 92 (Post) und in der Onlineveranstaltung zur Vorbereitung auf das Staatsexamen Schulpädagogik siebzig (Pre) bzw. 88 (Post) einbezogen werden. Die Durchführung der Auswertung der Leistungstest entsprach dem Vorgehen bei der Fragebogenstudie. Die qualitative Analyse basiert auf der Auswertung von elf Leitfadeninterviews mit Lehramtsstudierenden, die entweder den Präsenz- oder den Onlinekurs zur Vorbereitung auf das Staatsexamen Schulpädagogik besuchten (je fünf Leitfadeninterviews). Ein Leitfadeninterview, berücksichtigt die Perspektive einer Studierenden, die Einblick in beide Kurse gewonnen hatte. Die Fallauswahl wurde kriteriengeleitet, basierend auf dem Anspruch einer maximalen Variation hinsichtlich des besuchten Kurses, des Geschlechts, der studierten Schulart sowie vorhandener Erfahrungen mit Onlinelehre getroffen. Die Auswertung der qualitativen Daten erfolgte orientiert an der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010, 2015). Das Kategoriensystem wurde deduktiv unter Bezugnahme auf die theoretischen Vorüberlegungen entwickelt. Um wesentliche Informationen aus dem Interview herauszuarbeiten, wurde die inhaltliche und skalierende Strukturierung angewendet. Die Ergebnisse bestätigen weitestgehend die Forschungshypothesen. Sie sind anschlussfähig an den aktuellen Forschungsstand und ergänzen diesen mit dem spezifischen Blick auf die Lehrer/innenbildung. Die aus der Kontroll-Wert-Theorie der Lern- und Leistungsemotionen abgeleiteten theoretischen Annahmen können insofern bestätigt werden, als die auf die Kursinhalte bezogene Wertbeimessung der Lehramtsstudierenden und deren Kontrollerleben in der angenommenen Richtung signifikant mit Lern- und Leistungsemotionen korrelieren. So gehen insbesondere Hoffnung und Freude einher mit der Wertschätzung des Vorbereitungskurses auf das Staatsexamen. Auch der Zusammenhang zwischen Lern- und Leistungsemotionen und der Lernzielorientierung der Lehramtsstudierenden weisen bedeutende Effektstärken auf. Bei der wahrgenommenen Nützlichkeit, aber auch der Nutzerfreundlichkeit (wesentliche Determinanten der Technologieakzeptanz) sind hingegen weitaus schwächere Effektstärken vorhanden. Im Vergleich der Präsenz- und Onlinelehre zeigt sich, dass die Onlinelernenden das E-Learning-System als bedeutend nutzungsfreundlicher erlebten und sie ihre eigene Computerselbstwirksamkeit höher einschätzen. Bezogen auf die Lern- und Leistungsemotionen zum Semesterende waren bei ihnen jedoch Freude bedeutend geringer, Ärger und Langeweile hingegen signifikant stärker ausgeprägt als bei den Lernenden des Präsenzkurses. Unterschiede sind jedoch nicht nur im Vergleich der beiden Kurssettings deutlich erkennbar, sie zeigen sich ebenso bei der Pre- und Posterhebung. Beispielweise verringerte sich unabhängig vom Lernsetting der dem Vorbereitungskurs auf das Staatsexamen Schulpädagogik entgegengebrachte Wert zum Ende des Kurses. Lediglich innerhalb des Onlinekurses trifft dies auch auf das Empfinden von inhaltsbezogener Kontrolle und die Einschätzung des technologiebezogenen Nutzens zu. Die Leistungen der Lehramtsstudierenden beider Gruppen waren zum Semesteranfang auf einem vergleichbaren Niveau. Lehramtsstudierende, die die Präsenzveranstaltung besuchten, erreichten einen bedeutend höheren Leistungszuwachs im Semesterverlauf. Die qualitativen Daten stützen die quantitativen Befunde insofern, als sich eine Präferenz der Lehramtsstudierenden zur Präsenzlehre zeigt. Die Vorbereitung auf das Staatsexamen Schulpädagogik mit Hilfe des Onlinekurses erfordert aus Sicht der Studierenden ein bedeutend höheres Maß an Selbststeuerung und Motivation. Das Lernen fand nicht so kontinuierlich statt, wie in der Präsenzveranstaltung. Der Austausch, sowohl mit den Lehrenden als auch mit anderen Seminarteilnehmenden wurde als weniger niedrigschwellig wahrgenommen. Diskussionen, unmittelbares Feedback aber auch der durchaus verunsichernde Vergleich mit anderen Kommiliton/innen waren im Onlinekurs von geringerer Bedeutung. Darüber hinaus zeigen die qualitativen Ergebnisse die Vielfalt an Emotionen auf, die die Lehramtsstudierenden im Vorbereitungskurs auf das Staatsexamen Schulpädagogik erlebten. Sie verdeutlichen jedoch auch, dass deren Gerichtetheit, ob sie sich auf die Lernumgebung selbst beziehen oder durch die bevorstehende Prüfungssituation beeinflusst sind, nicht immer voneinander zu trennen ist. Die Ergebnisse, die deutliche Unterschiede zwischen der Präsenz- und Onlinelehre belegen, müssen dahingehend eingeschränkt werden, dass die latenten Konstrukte auf Basis von retrospektiven Selbstauskünften erfasst wurden und somit Verzerrungen unterliegen. Darüber hinaus können keine kausalen Schlüsse gezogen werden. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Hochschulkontexte ist u. a. durch die Spezifität des Vorbereitungskurses auf das Staatsexamens Schulpädagogik nur eingeschränkt möglich. Dennoch liefern die Befunde Anknüpfungspunkte für weiterführende Forschung bspw. in Bezug auf die Bedeutung individueller Merkmale, didaktischer Interventionen oder der Interaktion zwischen Studierenden untereinander und Dozierenden bzw. Tutoren. Zudem lassen sich wichtige Ableitungen für eine emotions- bzw. motivationssensible didaktische Gestaltung von onlinebasierten Lehrveranstaltungen ziehen.

Authors with CRIS profile

How to cite

APA:

Stephan, M. (2021). Online- und Präsenzlehre aus Sicht von Lehramtsstudierenden. Eine Mixed Methods Studie zu emotionalen und motivationalen Effekten (Dissertation).

MLA:

Stephan, Melanie. Online- und Präsenzlehre aus Sicht von Lehramtsstudierenden. Eine Mixed Methods Studie zu emotionalen und motivationalen Effekten. Dissertation, 2021.

BibTeX: Download