Warum es keinen Schleier der Wahrnehmung gibt

Schmidt S (2015)


Publication Language: German

Publication Type: Conference contribution, Abstract of a poster

Publication year: 2015

Event location: Osnabrück DE

Abstract

Der Indirekte Realist behauptet, dass wir unsere Umwelt niemals unmittelbar wahrnehmen, sondern stets nur durch die Vermittlung mentaler Repräsentationen (sogenannter Ideen, (Sinnes)Eindrücke, Empfindungen oder Sinnesdaten). Angefangen bei Descartes über Locke, Hume und Berkeley bis hin zu Ayer und sogar bei zeitgenössischen Neurowissenschaftlern ist die Rede von „Bildern im Kopf“, die einen Schleier zwischen uns und der Welt erzeugen.

Der Direkte Realist, dessen Position ich auf dem Plakat verteidigen möchte, meint hingegen, dass wir einen unmittelbaren Zugang zur Außenwelt in der Wahrnehmung haben. Das heißt hier leidglich, dass er leugnet, dass es in gewöhnlichen Wahrnehmungssituationen irgendwelche Dinge gibt, die die Wahrnehmung vermitteln: Wenn ich einen Tisch sehe, muss ich nicht zugleich die unmittelbare Erfahrung eines Sinnesdatums des Tisches haben. Ich sehe den Tisch nicht, indem ich etwas anderes als ihn sehe oder erfahre.

Auf systematischer Ebene lassen sich zwei Argumente gegen den Indirekten Realismus darstellen, die sich ergänzen. (1) Der ontologische Status von Sinnesdaten, insbesondere ihre Räumlichkeit, ist äußerst rätselhaft. Wir wissen daher nicht wirklich, worum es sich bei Sinnesdaten handelt. Uns fehlt ein Vergleichsobjekt, mit dem wir uns diese Räumlichkeit sui generis verständlich machen könnten. (2) Es ist überhaupt nicht klar, was die Annahme von Sinnesdaten erklärt. Das Nennen von Sinnestäuschungen als Explanandum ist unbefriedigend, da nicht zu sehen ist, wie Sinnesdaten den phänomenalen Charakter bei Sinnestäuschungen erklären sollen. Dies wird deutlich, wenn man etwas genauer fragt, was an Sinnestäuschungen eigentlich erklärt werden soll. Damit versagt das klassische argument from illusion für den Indirekten Realismus.

Die Plausibilität, die der Indirekte Realismus für viele zu haben scheint, ist letztlich auf die Nachwirkung eines cartesischen Dualismus zwischen Innen- und Außenwelt zurückzuführen, da die von mir angeführten Argumente ihre überzeugungskraft zu verlieren scheinen, sobald wir dieses Welt- und Menschenbild voraussetzen. Befreien wir uns aber von diesem Bild, so verstehen wir weder, was Sinnesdaten sind, noch, warum wir annehmen sollten, dass es sie gibt. Der Indirekte Realismus muss in einem Zuge mit dem cartesischen Dualismus aufgegeben werden.

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How to cite

APA:

Schmidt, S. (2015). Warum es keinen Schleier der Wahrnehmung gibt. Poster presentation at Studierendenkongress im Rahmen des 9. Kongresses der Gesellschaft für Analytische Philosophie (GAP 9), Osnabrück, DE.

MLA:

Schmidt, Sebastian. "Warum es keinen Schleier der Wahrnehmung gibt." Präsentiert bei Studierendenkongress im Rahmen des 9. Kongresses der Gesellschaft für Analytische Philosophie (GAP 9), Osnabrück 2015.

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