Reform, Bureaucratic Expansion and Production of Numbers: Statistics in China at the Turn of the 20th Century

Zu Beginn des 20. Jh. versuchte die chinesische Regierung, durch politische Reformen und eine Neugestaltung des Verwaltungs- und Erziehungssystems nicht nur die Subjekte des Kaisers in Bürger einer konstitutionellen Monarchie zu verwandeln, sondern auch den Staat neu zu begründen und zu legitimieren. Im Rahmen dieses Reformprogramms wurde erstmals in China ein zentrales Statistisches Büro gegründet, das zur Aufgabe hatte, den aktuellen Zustand des Reiches numerisch zu beschreiben. Während im 19. Jahrhundert im Westen statistisches Denken bereits als selbständige wissenschaftliche Disziplin anerkannt und institutionalisiert war, fehlten in der chinesischen Tradition noch theoretische und institutionelle Grundlagen, auf denen Analysemethoden hätten aufbauen können. Gleichzeitig mit der Gründung des Statistischen Büros begann man deshalb, aus dem Japanischen Schriften zur deutschen Sozialstatistik zu übersetzen; in den 30er Jahren erfolgte die Einführung mathematischer Statistik und eine Internationalisierung der theoretischen Basis. 

Ziel dieser Studie ist es, die Transmission fremder Institutionen und Theorien vor dem Hintergrund chinesischer administrativer und mathematischer Traditionen zur Zeit der Konstitutionellen Reform (1898-1911) zu analysieren. Im Zentrum steht sowohl die Analyse der Spannungen zwischen den intellektuellen Repräsentationen und den administrativen Praktiken als auch die Beschreibung der Modalitäten der Aneignung statistischer Theorie und Praxis.