Enteignende Besteuerung durch steuerfreie Einkünfte? – Paradoxe Wirkungen des Progressionsvorbehalts aus theoretischer und empirischer Sicht

Der vorliegende Beitrag analysiert den Progressionsvorbehalt als besondere Tarifvorschrift bei Vorliegen bestimmter steuerfreier Einkünfte theoretisch und empirisch. Hierzu werden Anforderungen an einen systematischen Tarif entwickelt und auf den Progressionsvorbehalt übertragen. Hierbei erfolgt auch eine ökonomische Belastungsmessung von rechtlich steuerfreien Einkünften. Es zeigt sich, dass der negative Progressionsvorbehalt diesen Anforderungen nicht genügt. Vielmehr können Fälle so konstruiert werden, dass jeder beliebige positive Steuersatz (auch über 100 %) auf den steuerfreien oder den steuerpflichtigen Einkünften lastet. Zur Beurteilung des Ausmaßes von Tarifverwerfungen wird eine Maßzahl entwickelt, die verdeutlicht, dass der negative Progressionsvorbehalt über weite Einkommensintervalle die Anforderungen an ein systematisches Tarifgefüge nicht einhält.

Eine empirische Auswertung des Steueraufkommens unter Durchführung einer Mikrosimulation belegt die gesamt- und einzelwirtschaftliche Bedeutung des Progressionsvorbehalts. So tragen zum größten Teil steuerfreie Sozialleistungen zum Gesamtaufkommen des Progressionsvorbehalts bei. Darüber hinaus kann empirisch belegt werden, dass die theoretisch ermittelten Verwerfungen auch in der Realität wiederzufinden sind.