Bewegungsförderungsmaßnahmen in der beruflichen Bildung: Ein systematisches Review

Grüne E, Popp J, Carl J, Pfeifer K (2020)


Publication Type: Book chapter / Article in edited volumes

Publication year: 2020

Publisher: DRV-Schriften

Edited Volumes: 29. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium: Prävention und Rehabilitation – der Betrieb als Partner (02. - 04. März 2020 in Hannover)

City/Town: Berlin

Book Volume: 20

Pages Range: 302-304

ISBN: 978-3-947949-11-3

URI: http://forschung.deutsche-rentenversicherung.de/ForschPortalWeb/ressource?key=tagungsband_29_reha_kolloqu.pdf

Open Access Link: http://forschung.deutsche-rentenversicherung.de/ForschPortalWeb/ressource?key=tagungsband_29_reha_kolloqu.pdf

Abstract

Hintergrund und Zielstellung: Derzeit stehen 1,3 Millionen Deutsche in einem Ausbildungsverhältnis, womit Auszubildende zahlenmäßig eine bedeutsame Gruppe der berufstätigen Bevölkerung in Deutschland bilden (Statistisches Bundesamt, 2016). Besonders der Start in die Ausbildung geht mit veränderten
physischen und psychischen Belastungen und somit auch neuen Anforderungen einher, die
es zu bewältigen gilt. Bereits in der jüngsten Gruppe der Beschäftigten lassen sich
Auffälligkeiten in den gesundheitlichen Daten erfassen. So verfügen Auszubildende teilweise
über erhebliche Defizite hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes und Gesundheitsverhaltens.
Als Beispiel hierfür sind neben auftretenden gesundheitlichen Beschwerden vor allem geringe
Umfänge körperlicher Aktivität zu nennen (Bonevski et al., 2013). Dabei gilt körperliche
Inaktivität als ein wesentlicher verhaltensbezogener Risikofaktor für die Entstehung
chronischer nicht übertragbarer Krankheiten (Lee et al., 2012). Andererseits sind die
gesundheitsförderlichen Effekte körperlicher Aktivität unumstritten (Warburton & Bredin,
2017) und Maßnahmen zur Förderung der Bewegung ein adäquates Mittel der
Gesundheitsförderung. Während eine hohe Evidenz von Bewegungsförderungsmaßnahmen im Setting Betrieb, Schule und Universität vorliegt, fehlen wissenschaftliche Erkenntnisse speziell im Bereich der
beruflichen Bildung. Vor diesem Hintergrund ist das Ziel dieses systematischen Reviews,
bewegungsförderliche Maßnahmen in der beruflichen Bildung zu identifizieren und deren
Effekte auf bewegungsbezogene Outcomes (z.B. Bewegungsverhalten, physische Fitness,
physische Funktion oder psychologische Faktoren) zu untersuchen.

Methoden: Das Review folgte den Richtlinien des PRISMA Statements (Moher et al., 2015) und wurde in
PROSPERO registriert (CRD42018109845). Im Zuge der systematischen Literaturrecherche
wurden fünf elektronische Datenbanken durchsucht. Die Suchstrategie umfasste eine
Kombination von Schlüsselwörtern, die sich auf das Setting (z.B. berufliche Bildung), das
Gesundheitsverhalten von Interesse (z.B. Bewegung) und die Art der Studie (z.B.
Intervention) bezogen. Die Treffer wurden anhand vorab definierter Ein- und
Ausschlusskriterien durch Screening von Titel, Abstract und Volltext von zwei unabhängigen
Gutachtern eingegrenzt. Diese bewerteten anschließend die Studienqualität und extrahierten
die Daten aller eingeschlossenen Studien. Die Datensynthese erfolgte in qualitativer Form.

Ergebnisse: Von insgesamt 18961 erzielten Treffern wurden neun Studien, die mit einem breiten Spektrum
an Interventionen und Outcome-Messung gekennzeichnet sind, in die Analyse
eingeschlossen. Die Mehrzahl der Studien (6/9) wurde bezüglich ihrer Qualität als „gering“
eingestuft. Im Hinblick auf die Studienergebnisse zeigten sieben Studien eine signifikante Verbesserung
mindestens eines bewegungsbezogenen Outcomes, wobei die Mehrheit der Studien eine
Mischung aus signifikanten und nicht signifikanten Ergebnissen aufwies. Des Weiteren
variierten die Studien hinsichtlich ihrer Interventionsmerkale, wie z.B. dem gewählten
Interventionsansatz („bottom up“- vs. „top down“-Interventionen), der Komplexität
(Mehrkomponenten- vs. Einkomponenten-Interventionen) sowie dem adressierten Verhalten
(Bewegungsinterventionen vs. multithematische Interventionen). Auffallend ist, dass eine
Verbesserung des Bewegungsverhaltens, der physischen Fitness oder Funktion durch „top
down“-implementierte Interventionen erreicht werden konnte. Hingegen wiesen Studien, die
einem partizipativen Ansatz („bottom up“) folgten, Effekte auf psychologische Variablen auf.

Diskussion und Fazit: Die vorliegende systematische Übersicht gibt einen detaillierten Einblick in die Literatur über die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Bewegungsförderung in der beruflichen Bildung. Die
Mehrzahl der Studien zeigte signifikante Verbesserungen für mindestens ein
bewegungsbezogenes Outcome, was rückschließen lässt, dass Maßnahmen in der
beruflichen Bildung wirksam sein können. Im Gegensatz zu den zahlreichen Studien über
Bewegungsförderungsmaßnahmen bei jungen Menschen lagen nur wenige veröffentlichte
Studien vor, in denen bewegungsförderliche Maßnahmen speziell auf Auszubildende
ausgerichtet waren. Diese geringe Anzahl an Studien, gepaart mit den heterogenen
Studieneffekten, sowie der insgesamt schwachen Studienqualität erlaubt es uns nicht, klare
Aussagen zu den potentiell effektivsten Interventionen zu treffen. Dies gilt insbesondere für
langfristige Effekte sowie die nachhaltige Implementierung der Maßnahmen.
Dementsprechend unterstreichen unsere Ergebnisse den weiteren Forschungsbedarf in
diesem jungen Forschungsfeld, um den derzeitigen Mangel an Studien zu beheben.
Zusätzlich sollte sich die Forschung auf qualitativ hochwertige Studien mit langzeitlichen
Follow-up-Messungen konzentrieren, um klare Schlussfolgerungen über die Wirksamkeit der
Studien zu ziehen und Empfehlungen für die Praxis auszusprechen.

Literatur:
Bonevski, B., Guillaumier, A., Paul, C., Walsh, R. (2013): The vocational education setting for
health promotion: A survey of students' health risk behaviours and preferences for help.
Health Promotion Journal of Australia, 24. 185-191.
Lee, I.-M., Shiroma, E.J., Lobelo, F., Puska, P., Blair, S.N., Katzmarzyk, P.T. (2012): Effect of
physical inactivity on major non-communicable diseases worldwide: an analysis of burden
of disease and life expectancy. The Lancet, 380. 219-229.
Moher, D., Liberati, A., Tetzlaff, J., Altmann, D.G., The PRISMA Group (2009): Preferred
Reporting Items for Systematic Reviews and Meta-Analyses: The PRISMA Statement.
PLoS Medicine, 6. e1000097.
Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2016): Statistisches Jahrbuch 2016. Deutschland und
Internationales. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.
Warburton, D.E.R., Bredin, S.S.D. (2017): Health benefits of physical activity: a systematic
review of current systematic reviews. Current Opinion in Cardiology, 32. 541-556.

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How to cite

APA:

Grüne, E., Popp, J., Carl, J., & Pfeifer, K. (2020). Bewegungsförderungsmaßnahmen in der beruflichen Bildung: Ein systematisches Review. In Haaf, Streibelt, Weinbrenner, Mau (Eds.), 29. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium: Prävention und Rehabilitation – der Betrieb als Partner (02. - 04. März 2020 in Hannover). (pp. 302-304). Berlin: DRV-Schriften.

MLA:

Grüne, Eva, et al. "Bewegungsförderungsmaßnahmen in der beruflichen Bildung: Ein systematisches Review." 29. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium: Prävention und Rehabilitation – der Betrieb als Partner (02. - 04. März 2020 in Hannover). Ed. Haaf, Streibelt, Weinbrenner, Mau, Berlin: DRV-Schriften, 2020. 302-304.

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