Bewegungsbezogene Maßnahmen zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit in der beruflichen Bildung: Von der Quantitäts- zur Kompetenzorientierung

Carl J, Grüne E, Popp J, Pfeifer K (2020)


Publication Type: Book chapter / Article in edited volumes

Publication year: 2020

Publisher: DRV Schriften

Edited Volumes: 29. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium: Prävention und Rehabilitation – der Betrieb als Partner (02.-04. März 2020 in Hannover)

City/Town: Berlin

Book Volume: 120

Pages Range: 70-72

ISBN: 978-3-947949-11-3

URI: http://forschung.deutsche-rentenversicherung.de/ForschPortalWeb/ressource?key=tagungsband_29_reha_kolloqu.pdf

Abstract

Hintergrund und Zielstellung: Das Feld der betrieblichen Prävention nimmt Zielgruppen in den Blick, die einem besonderen Risiko für Beeinträchtigungen der individuellen Gesundheit ausgesetzt sind. Auch aufgrund des sich verstärkenden Fachkräftemangels scheint es daher sinnvoll, gesundheitsförderliche
Maßnahmen auf Auszubildende auszurichten. In Deutschland zählen die Sparten KFZMechatronik
und Pflege zu den wichtigsten Säulen des Ausbildungswesens (Statistisches Bundesamt, 2019). Angesichts der starken Evidenz bezüglich der gesundheitsförderlichen Wirkungen von körperlich-sportlicher Aktivität (z.B. Warburton & Bredin, 2017) war es Ziel desProjekts PArC-AVE (Forschungsverbund Capital4Health), das Bewegungsverhalten von Auszubildenden an zwei Berufsschulen für die Bereiche KFZ-Mechatronik und Pflege zu fördern. Zur Anpassung der Maßnahmen auf die Zielgruppe und die örtlichen Bedingungen
wurden von Beginn an zentrale Akteure in den Planungsprozess mit einbezogen. Um die
Ausgangsbedingungen der beiden Auszubildendengruppen im Rahmen des partizipativkooperativen
Vorgehen besser charakterisieren zu können, verfolgte die vorliegende Forschungsarbeit zwei aufeinander aufbauende Zielstellungen: In einem ersten explorativen Schritt sollte das alltägliche Aktivitätsverhalten dieser speziellen Zielgruppe mittels objektiver Messverfahren quantifiziert werden (Studie 1). In einem zweiten Schritt sollte der Beitrag des körperlichen Aktivitätsniveaus für die Arbeitsfähigkeit ermittelt werden und dabei die Rolle der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz (BGK, Sudeck & Pfeifer, 2016) näher
bestimmt werden (Studie 2).
Methoden: Zur Ermittlung des quantitativen Aktivitätsniveaus wurde eine Teilstichprobe von 81
Auszubildenden beider Settings mit triaxialen Beschleunigungsmesser (ActiGraph wGT3XBT)
ausgestattet (Studie 1). 55 Auszubildende konnten die Empfehlungen zur täglichen
Mindesttragezeit erfüllen, sodass deren Werte in die finale Auswertung (deskriptive Analyse)
eingingen. Eine multizentrische Fragebogenstudie an insgesamt sechs Bayerischen
Ausbildungsinstitutionen (Studie 2) adressierte schließlich das Beziehungsverhältnis von
körperlicher Aktivität (BSA-Fragebogen), Arbeitsfähigkeit (reduzierte Version des WAI) und
bewegungsbezogener Gesundheitskompetenz (BGK-Instrument mit acht Indikatoren). Die
Analyse umfasste 745 Auszubildende und erfolgte mittels hierarchischer linearer Regression
unter Kontrolle der Kovariaten Bildungsstand und Ausbildungsberuf.

Ergebnisse: Der Akzelerometeranalyse zufolge absolvierten die Auszubildenden beider Settings pro Tag
durchschnittlich 18.979 ± 3.780 Schritte bzw. verbrachten 494,2 ± 174,2 Minuten pro Woche
im moderat-intensiven Aktivitätsbereich (MVPA). Aufgrund der Konsistenz der Ergebnisse
(Range 11.226-31.560 Schritte) scheint daher die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass der
Großteil der zu adressierenden Zielgruppe bereits die gängigen Bewegungsempfehlungen
(mindestens 10.000 Schritte pro Tag bzw. 150 Minuten MVPA/Woche) erfüllt.
Konsistent hierzu war in Studie 2 das reine Volumen körperlicher Aktivität nicht signifikant mit
der Arbeitsfähigkeit assoziiert (β = .05). Die Aufnahme von Indikatoren der
bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz hingegen führte zu signifikanten
Vorhersageleistungen der Arbeitsfähigkeit (Rmax² = .159). Den stärksten Zuwachs lieferten
zwei Indikatoren der Bewegungskompetenz (Bewältigbarkeit von Kraftanforderungen, β = 0.307; Bewältigbarkeit von Ausdaueranforderungen, β = 0.257), sowie zwei Indikatoren
der Selbstregulationskompetenz (Emotionale Einstellung gegenüber körperlicher Aktivität, β = 0.305; Bewegungsspezifische Selbstkontrolle, β = 0.246). Der Indikator Bewältigbarkeit
von Gleichgewichtsanforderungen zeigte die geringste zusätzliche Aufklärungskraft
(Emotionale Einstellung gegenüber körperlicher Aktivität, β = 0.124).

Diskussion und Fazit: Die beiden Studien legen nahe, dass sich die Bewegungsförderung bei Auszubildenden von der reinen Volumenorientierung lösen sollte und dafür stärker die Kompetenzen der
Schülerinnen und Schülern in den Blick nehmen sollte. Eine positive bewegungsbezogene
Gesundheitskompetenz ermöglicht einen konstruktiven Umgang mit körperlichen
Anforderungen in täglichen Berufssituationen einerseits und mit körperlich-sportlichen
Situationen in der Freizeit andererseits. Zukünftige Studien sollen nun der Frage nachgehen,
ob Interventionen zu einer verbesserten Arbeitsfähigkeit führen können, wenn sich diese am
Modell der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz orientieren.

Literatur:
Sudeck, G., & Pfeifer, K. (2016): Physical activity-related health competence as an inte-grative
objective in exercise therapy and health sports – conception and validation of a short
questionnaire. German Journal of Exercise and Sport Research, 46(2), 74–87.
Statistisches Bundesamt (2019): Auszubildende nach Ausbildungsberufen (TOP 20).
https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-
Kultur/Berufliche-Bildung/Tabellen/liste-azubi-rangliste.html
Warburton, D. E., & Bredin, S. S. (2017): Health benefits of physical activity: a systematic
review of current systematic reviews. Current Opinion in Cardiology, 32(5), 541-556.
Förderung: Bundesministerium für Bildung und Forschung

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How to cite

APA:

Carl, J., Grüne, E., Popp, J., & Pfeifer, K. (2020). Bewegungsbezogene Maßnahmen zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit in der beruflichen Bildung: Von der Quantitäts- zur Kompetenzorientierung. In Haaf, Streibelt, Weinbrenner, Mau (Eds.), 29. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium: Prävention und Rehabilitation – der Betrieb als Partner (02.-04. März 2020 in Hannover). (pp. 70-72). Berlin: DRV Schriften.

MLA:

Carl, Johannes, et al. "Bewegungsbezogene Maßnahmen zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit in der beruflichen Bildung: Von der Quantitäts- zur Kompetenzorientierung." 29. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium: Prävention und Rehabilitation – der Betrieb als Partner (02.-04. März 2020 in Hannover). Ed. Haaf, Streibelt, Weinbrenner, Mau, Berlin: DRV Schriften, 2020. 70-72.

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