PROMIT. Professionalisierung von Grundschullehramtsstudierenden für einen mitbestimmungssensiblen Grundschulunterricht (PROMIT)

Internally funded project


Acronym: PROMIT

Start date : 01.04.2022


Project details

Scientific Abstract

Theoretischer Hintergrund

Das Recht der Kinder auf Mitbestimmung, das seine juristische Begründung und Verankerung in der UN-Kinderrechtskonvention (BMFSFJ, 2019) findet – insbesondere aber auch der grundschulpädagogische Auftrag, der die Erfahrbarkeit demokratischer Handlungskompetenzen im Sinne grundlegender Bildung (Einsiedler, 2014) vorsieht, stellen nur erste Begründungslinien für die Wichtigkeit der Mitbestimmung von Grundschulkindern dar.

Im Rahmen dieses Dissertationsvorhabens wird Mitbestimmung in Anlehnung an Ertl, Martschinke & Grüning (2022) anhand folgender vier Facetten, die die Forderung nach mehr Mitbestimmung aus der Kinderperspektive widerspiegelt, operationalisiert: Informiert- und Gehört-werden, Mitplanen und MitberatenMitgestalten sowie Mitentscheiden.

Im vorliegenden thematischen Kontext werden die Begriffe Mitbestimmung, Demokratiebildung, Partizipation etc. häufig synonym verwendet, da sie im Wesentlichen eine ähnliche Kernbotschaft implizieren und doch zeichnen sich bedeutsame Nuancen ab (Coelen, 2010). Nachfolgend wird ausschließlich der Terminus Mitbestimmung verwendet. Mitbestimmung wird zudem als kollektiver Aushandlungsprozess im Sinne der Demokratie verstanden, der bereits durch das Präfix Mit- suggeriert wird (Müller-Kuhn & Häbig, 2022). Das Kollektiv bezieht sich auf die Lehrer:innen-Schüler:innen-Ebene sowie die Schüler:innen-Schüler:innen-Ebene und ist somit von der Selbstbestimmung abzugrenzen.

Im Grundschulunterricht lassen sich bestehende Maßnahmen zur Umsetzung der Mitbestimmung primär im Rahmen institutioneller Formen, wie z. B. Klassenrat oder Klassensprecher:inwahl identifizieren (Brügelmann, 2011; vbw, 2020). Aus nationalen und internationalen Studien geht hervor, dass es mehr und qualitätsvoller Mitbestimmung für Kinder im Grundschulalter bedarf, die auf der konkreten Erfahrbarkeit und tatsächlichen Umsetzung beruht (Andresen & Möller, 2019; Kutsar et al., 2019; Müthing, Razakowski & Gottschling, 2018). Aktuelle Ergebnisse einer Delphi-Studie (Gerbeshi et al., 2022) belegen, dass auch Expert:innen aus verschiedenen Bildungsorten (Praxis-)Bedarfe für „echte“ Mitbestimmung benennen, die als Entwicklungsprozess und Zukunftsaufgabe und letztendlich als Forschungsdesiderat zu deuten sind.

In einer weiteren Studie konnte gezeigt werden, dass sich bei Lehrkräften eine hohe Diskrepanz zwischen dem Soll- und Ist-Zustand abzeichnet. Es wird zum einen ein Überzeugungsproblem und zum anderen ein Umsetzungsproblem qualitätsvoller Mitbestimmung im Unterricht konstatiert (Brügelmann, 2011). Daraus wird die Notwenigkeit der Professionalisierung bereits im Rahmen der Lehrkräfteausbildung abgeleitet, die einen Raum schaffen muss, der angehende Lehrkräfte für die Thematik sensibilisiert und zur Reflexion anregt und gleichzeitig zum Empowerment über Handlungsmöglichkeiten führt. 

Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen

Das Erkenntnisinteresse besteht darin zu erfahren, inwiefern ein neu konzipiertes Seminar einen Beitrag zur Professionalisierung von Grundschullehramtsstudierenden im Hinblick auf einen mitbestimmungssensiblen Grundschulunterricht leistet. In Anlehnung an Baumert & Kunter (2011) liegt der Fokus zum einen auf dem Professionswissen (fachliches und fachdidaktisches Wissen) und zum anderen auf den selbstregulativen Fähigkeiten sowie Überzeugungen, zu denen Selbstwirksamkeitserwartungen und Einstellungen maßgeblich zählen. Zusammenfassend wird nachfolgend von Professionalisierungsfacetten gesprochen.

Daraus lassen sich folgende (vorläufige) Forschungsfragen ableiten:

Welche Voraussetzungen bringen Studierende mit in das Seminar?

Wie entwickeln sich die Professionalisierungsfacetten?

Wie bedingen sich die Professionalisierungsfacetten über die Zeit?

Methodisches Vorgehen

Es handelt sich um eine Interventionsstudie mit Grundschullehramtsstudierenden, die über eine Seminarveranstaltung erfolgen wird. Demnach stellt die Hochschullehre das Forschungsfeld dar.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist ein vorrangig quantitatives Vorgehen mittels eines Fragebogens mit offenen und geschlossenen Fragen im Prä-Post-Design in Planung. Langfristig soll zudem ein Kontrollgruppendesign Anwendung finden, um die Validität zu gewährleisten und zu sichern. Die aktuellen Überlegungen schließen jedoch ein Mixed-Methods-Design nicht aus, im Rahmen dessen auch vertiefende Interviews mit Studierenden ebenfalls denkbar wären. Insgesamt wird eine Stichprobe von n= 50 bis 100 angestrebt.


Literaturangaben

Andresen, S. & Möller, R. (2019). Children‘sWorlds+. Eine Studie zu Bedarfen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Gütersloh: Bertelsmann.


Baumert, J. & Kunter, M. (2011). Das Kompetenzmodell von COACTIV. In M. Kunter, J. Baumert & W. Blum (Hrsg.), Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV (S. 29–53). Münster: Waxmann.


Brügelmannn, H. (2011). Den Einzelnen gerecht werden in der inklusiven Schule. Mit einer Öffnung des Unterrichts raus aus der Individualisierungsfalle! Zeitschrift für Heilpädagogik, 62 (9), 355-362.

 

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.). (2019). Übereinkommen über die Rechte des Kindes. VN-Kinderrechtskonvention im Wortlaut mit Materialien. MKL Druck GmbH & Co KG.


Coelen, T. (2010). Partizipation und Demokratiebildung in pädagogischen Institutionen. Zeitschrift für Pädagogik, 56(1), 37-52. 


Einsiedler, W. (2014). Grundlegende Bildung. In W. Einsiedler (Hrsg.), Handbuch Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik (4. erg. und aktualisierte Aufl., S. 225– 233). Bad Heilbrunn u.a.: UTB.

 

Ertl, S., Martschinke, S. & Grüning, M. (2022). Lasst uns mitbestimmen! Grundschulkinder und ihr Recht auf Mitbestimmung. In Grüning, M., Martschinke, S. et al. (Hrsg.), Mitbestimmung von Kindern (74-91). Weinheim: Beltz Verlag.

 

Gerbeshi, L., Cejvan, S., Bärtlein, L., Richter, S., Ertl, S. & Martschinke, S. (2022). Demokratiebildung (schon) im Grundschulalter?! Praxisbedarfe aus Sicht von Expert:innen. Grundschule aktuell (159).

 

Kutsar, D., Soo, K., Strózik, T., Strózik, D., Grigoraș, B. & Bălțătescu, S. (2019). Does the Realization of Children’s Rights Determine Good Life in 8-Year-Olds’ Perspectives? A Comparison of Eight European Countries. Child Indicators Research, 12(1), 161–183

 

Müller-Kuhn, D. & Häbig, J. (2022). Partizipation, Mitbestimmung, Beteiligung…? Eine begriffliche Differenzierung und damit verbundene Problematiken. In Grüning, M., Martschinke, S. et al. (Hrsg.), Mitbestimmung von Kindern (74-91). Weinheim: Beltz Verlag.

 

Müthing, K., Razakowski, J. & Gottschling, M. (2018). LBS-Kinderbarometer Deutschland 2018. Stimmungen, Trends und Meinungen von Kindern aus Deutschland.

 

vbw - Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (2020). Bildung zu demokratischer Kompetenz. Gutachten. Münster: Waxmann.

  

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